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Kristian von Hornsleth, Wikinger an den Gestaden Interlands.
Erasmons Sohn Charilaos, Lächerliches will ich berichten, Freund allerliebster! Hör, es wird dich freuen!
ARCHILOCHOS
Ein 1 x 1 des harten Tons mag den einen verwundern, den anderen abstoßen. Dies sei Zeugnis ihrer Gesinnung und weiter nicht abträglich, wenn sie nur die Gegebenheiten zu erkennen vermögen, unter denen sich ein philosophischer und künstlerischer Geist in der heutigen Zeit befindet. – Mit diesen Worten leitete ich 1983 mein „1 x 1 des harten Tons" ein. Es war wohl kein Zufall, dass ich zehn Jahre später in einer Berliner Bar den Mann kennenlernte, der - vom gleichen Geist beseelt – sozusagen mit Abrissbirne malte. Der Tsunami der westlichen Krisis hatte Dänemark ebenso überschwemmt wie Deutschland. Glücklich die Länder des ehemaligen Ostblocks: sie haben ihre Revolution schon gehabt.
Der feine Geschmack im Denken wie im Reden mag den philosophisch Gesinnten zueigen sein, wenn sie sich unter ihresgleichen befinden. Die anderen, dazu zählen wir uns, haben einen subtilen Kampf zu führen, denn der Gegner ist subtil. Die Sinnentleerung der globalen Symbiose zeigt sich als aufgeregter Nihilismus, der die völlige Un-Notwendigkeit des gesellschaftlichen Fortschreitens mit tausendfacher Produktion und unstillbaren Lustbarkeiten kaschiert. Statt Mauern zwängen uns unbegrenzte Freiheiten, statt mit Gewehren schießt man mit Bildern auf uns. Die Soldaten des Regimes tragen keine Uniform, sondern begegnen uns in den nackten Körpern der fortwährenden Sexualisierung. Und um kein Heimatland vollzieht sich der Kampf, sondern es ist der Neo-Erdbürgerkrieg, virtuell vernetzt und mit den Mitteln der Globalisierung gefochten. In diesem Schlachtfeld um und im Interland begegnen uns die Futilisten als Kunstguerilla, die mit den verbliebenen Mitteln des Partisanenkampfes agieren.
Die Wirklichkeit dieser Krisis des Westens hat vermutlich selbst schon jene erreicht, die in behüteten Zirkeln oder in der inneren Emigration wirken. Noch nie in der Geschichte des denkenden Menschen war die Prägung und die Beherrschung einer Zeit so sehr von der Menge und Masse bestimmt; und wo sie nicht selbst den Geschmack in die Hand nimmt, da sind es die Opportunisten und Halb-Großen, die sich in führenden Positionen der Politik, der Medien, der Wissenschaft – allen Bereichen der Gesellschaft also – zum Knecht der Knechte machen. Hier und Jetzt ist die Klasse des guten Geschmacks gefährdet – und zwar auf das existentiellste. So sei der feine Ton dort am falschen Platze, wo solches Kultur-Kriegsgetümmel herrscht.
Auch in der bildenden Kunst hat man den harten Ton zu führen, und zwar in den Mitteln, Formen und Medien, die das Gegenwärtige zur Verfügung stellt. Es ist folgerichtig, wenn sich Kristian Hornsleth den Versatzstücken der postmodernen Bilderwelt bedient, um diese Kehre einzuleiten, und noch konsequenter, dass er dem unbegrenzten Voyeurismus und dem gierigen Materialismus unserer Tage sein Wesen mit lauten Lettern auf die Stirn meißelt: „Rape – kill – steel – burn". Offenbar wird so die ganze Kleine-Leute-Prüderie, die das unmäßige im Mittelmaß der westlichen Degeneration begleitet. Nur so ist die Kehre im Denken (Heidegger), mithin die Kehre in der Kunst (oder besser: das Weg-kehren des Kunstbetriebs) zu erreichen. Possierliche Einfalt der Kindermenschen auch, einem derart festen, freien Geist „böse" sein zu können. Dabei, nur das Gegenteil kann einem solchen gefährlich werden: Die süßlich-faulige Atmosphäre der Zuneigung – welch schreckliche Herabsetzung und gnadenloses Urteil!
In der völligen Sinnentleerung gegenwärtigen Betriebes ist, wenn denn Handlung, dann nur Destruktion als Form der gesellschaftlichen Hygiene und Abräumarbeit denkbar. Gleichsam mag für diese Haltung gelten das Wort Nietzsches
Große Dinge verlangen, dass man von ihnen schweigt oder groß redet: groß, das heißt mit Unschuld, - zynisch.
Die alten Chinesen haben hierfür ein altes Strategem, das lautet: „Verrücktheit mimen, ohne das Gleichgewicht zu verlieren." Kristian Hornsleth verfügt über die unbedingte Diszplin, die diese Haltung erfordert. Denn wahr ist: Nur in der völligen Souveränität und Integrität, einer inneren Autokratie, ist die Befugnis zum Bildersturm legitimiert. Wer Kristian Hornselth kennt, den Nicht-Raucher, Nicht-Trinker, den Weißbrotverschmäher, Inprätentionisten, weiß um diese innere und äußere Unbestechlichkeit.
Man darf wohl zu recht vermuten, dass die Klarheit und Kühle des Nordmeeres vor der Küste Kopenhagens, welches Hornsleth mit seinem Katamaran zu durchqueren pflegt, die anwesende Leere eröffnet, auf der er seinen Kunstfeldzug bauen kann. Hornsleth sieht nicht nur aus wie ein Wikinger, er ist es auch in der Wucht, mit der er die Gestade des Kunstbetriebs überfällt. Er macht der ausgreifenden Bewegung seiner Ahnen alle Ehre, wenn es ihn dabei zur amerikanischen Ost- wie Westküste treibt, nach Asien und durch ganz Europa.
Kriegermentalität und Künstlertum passen gut zusammen – ja, bedingen sie sich gar? Der wilde Dichter Archilochos, auch Seefahrer, am Beginn der abendländischen Kultur gibt hierzu die in einen Jambus gefasste Kennzeichnung:
Ich bin Gefolgsmann des Ares,
des strengen Gebieters im Kriege,
und der Musen Geschenk
ist mir, das holde, vertraut.
Über die Jahrtausende hinweg lässt sich so eine Brücke spannen zum Typus Formüberschreiters und im echten Sinne freien Künstlers. Archilochos, mit seinen Schmäh- und Schimpfreden, Zumutungen, er, der kein Blatt vor den Mund nahm und dem der schöne Schein nichts galt, hatte bei den (späteren) Griechen wohl in etwa den gleichen Ruf des Skandalkünstlers wie Hornsleth heute.
Dabei ist diese Anstandslosigkeit, diese Provokation kein Selbstzweck. Vielmehr ist der harte Ton, das harte Bild, von unbedingtem, ja naivem Pathos geprägt: Auf dass dieses Schaffen als Notwendigkeit selbst erkannt und damit Kultur wird. Erst im Kontrast entfaltet ja der Hornslethsche Kunst als gesundendes Vomitivum gegen den Überfluss seine Wirkung; erst getragen an der Manschette des New Yorker Brokers oder des deutschen Bundestagsabgeordneten wird aus „R.S.K.B." Kunst im Sinne Hornsleths; erst in der Sammlung des Kunstliebhabers, ja nur dort, darf „Fuck you Artlovers" prangen; und erst in dem Moment, in dem Shawn Borer-Fielding, blutjunge Botschafteringattin, in einer Berliner Galerie vor ihrem Bild stand, entfaltete Hornsleths Signum „Fuck me Daddy" seine Wirkung. Kaufen hätte sie es sollen! Denn im Kauf von Hornsleths Bildern liegt die einzige Möglichkeit zur Versöhnung zwischen dem Terror der gegenwärtigen Nichtigkeit und seiner schaffenden Zerstörung (- Kunst eben).
Im Endzustand des gegenwärtigen Äons, auf dem Schlachtfelde des Nihilismus, dürfen vom Futilisten, wie von jedem Künstler, außer diesem noblen Angebot zum Kauf keine Antworten erwartet werden. Für alle programmatischen Wünschbarkeiten eines neuen Aufbaus gilt das Wort Heideggers vom „Vorbeigang des letzten Gottes". Im östlichen Klassenzimmer mögen sich die Schüler hinter diesem Wort zur inneren Sammlung finden. Die anderen, im Westen, folgen der Spur Archilochos' und Nietzsches und Hornslelths. Wenn der Wind günstig steht, könnten ihnen dereinst NATO-Panzer im Einsatz begegnen, auf denen in grellen Lettern prangt: „R – K – S – B. Hornsleth 2014".
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